04.12.2022

Experten betonen Universalität der Menschenrechte

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(hib/SAS) Mit der Rolle der Menschenrechte als integraler Bestandteil der Weltordnung im systemischen Wettbewerb vor allem mit China hat sich der Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe am Mittwoch im Rahmen einer öffentlichen Anhörung beschäftigt. Während die Sachverständigen größtenteils die Universalität der Menschenrechte betonten, waren sie jedoch geteilter Meinung hinsichtlich der Frage, ob der Westen in systemischer Konkurrenz zu autokratischen Staaten wie Russland und China stehe.

So befand etwa Erhard Crome, Direktor des WeltTrends-Instituts für Internationale Politik in Potsdam, die „Systemkonkurrenz“ sei im Kern eine „Machtkonkurrenz“. Der Schwerpunkt der Weltwirtschaft verschiebe sich vom Westen in Richtung Asien - mit weltpolitische Folgen: USA und Nato beantworteten diesen Veränderungsprozess mit zunehmender militärischer Konfrontation, so der Politikwissenschaftler. Die Menschenrechte dürften aber nicht für eine „europäische oder amerikanische Machtpolitik“ instrumentalisiert werden. Gleichzeitig warnte er vor „Doppelstandards“: Menschenrechte als Druckmittel gegen Länder wie China einzusetzen, während man bei Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien und Katar zurückhaltend bleibe, sei unglaubwürdig.

Dem gegenüber vertrat Sabine Fischer von der Stiftung Wissenschaft und Politik die Auffassung, dass die Systemkonkurrenz mit Russland und China nicht einseitig vom Westen herbeigeführt werde, sondern aus den systemischen Unterschieden, der gegenseitigen Beeinflussung in einer globalisierten Welt und den sich daraus ergebenden Konflikten erwachse. Eine Blockkonfrontation wie zu Zeiten des Ost-West-Konflikts zeichne sich dennoch nicht ab, vielmehr bilde sich eine „Multipolarität“ in den internationalen Beziehungen aus, in der sich einige Akteure im systemischen Gegensatz befänden: der erweiterte Westen einerseits und „China mit Russland im Kielwasser andererseits“. Es werde aber noch weitere Pole geben, betonte Fischer. Welchen Einfluss die EU künftig etwa in Osteuropa und Eurasien haben werden, entscheide vor allem der Ausgang des Ukrainekriegs, so die Expertin. Eine Niederlage der Ukraine wäre ein „Katastrophe“ mit Blick auf das Bestreben, Demokratie und Menschenrechte zu stärken. 

Eine Bedrohung der regelbasierten Ordnung durch autoritäre Regime sah auch Silke Voß-Kyeck vom Deutschen Institut für Menschenrechte gegeben: In ihrer Stellungnahme verwies sie etwa auf verschiedene Initiativen Russlands mit dem Ziel international anerkannte Menschenrechtsstandards in Frage zu stellen und eine Weiterentwicklung zu verhindern. Hierbei agiere Russland allerdings eher als „Störer denn als Stratege, im Gegensatz etwa zum planvollen Vorgehen Chinas“, so die Politologin. Im Rahmen der Vereinten Nationen (VN) etwa versuche Peking immer offensiver, das VN-Menschenrechtssystem durch eine „neue, normative und institutionelle Menschenrechtsordnung chinesischer Prägung“ zu ersetzen. Angesichts dessen, aber auch mit Blick auf die zahlreichen Krisen, gewaltsamen Konflikte und schweren Menschenrechtsverletzungen gelte es, durch eine Stärkung der Menschenrechtsinstitutionen etwas entgegen zu setzen, forderte Voß-Kyeck. Diese seien völlig unterfinanziert. Auch brauche es „überregionale Bündnisse von Mitgliedern, die sich Angriffen auf Menschenrechtsnormen und -instrumente entgegenstellten, mahnte die Sachverständige. Dass die EU wachsende Schwierigkeiten habe, mit einer Stimme im UN-Menschenrechtsrat aufzutreten, sei zudem “wenig hilfreich.„

Auf eine Stärkung der Autorität und Akzeptanz internationaler und regionaler Menschenrechtsorganisationen wie dem Europarat drang auch Angelika Nußberger, Rechtswissenschaftlerin an der Universität Köln, angesichts wachsender “Tendenzen, die Menschenrechte zu relativieren. Eine systemische Konkurrenz im Sinne eines „Revival des Kalten Krieges“ sah sie, wie auch Sabine Fischer, zwar nicht, wohl jedoch eine „Systemauseinandersetzung“ bei den Menschenrechten. Gefährdet seien diese durch den „Kulturrelativismus“ autoritärer Staaten, die mit dem Verweis auf die nationale Identität deren Universalitätsanspruch in Frage stellten. Hier müsse man in „Theorie und Praxis“ gegenhalten, forderte Nußberger, bis 2020 Vizepräsidentin des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), - auch durch Sanktionen gegenüber Staaten, die Urteile des EGMR nicht umsetzen.

Die universelle Gültigkeit aller Menschenrechte zog Philipp Bagus, Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Rey Juan Carlos in Madrid, jedoch in Zweifel: Aufgrund der „inflationären Postulierung immer neuer Menschenrechte“ komme es zu „Menschenrechtskollisionen“. Nicht alle Menschenrechte könnten gleichzeitig gelten. Bagus empfahl, auf das „Narrativ des systemischen Wettbewerbs“ zu verzichten. Dieses könne dazu verwendet werden, um Wettbewerb einzuschränken und Protektionismus zu fördern, erklärte er. Erfolgversprechender bei der Einhaltung der Menschenrechte sei dagegen die Vorbildfunktion. Hier müsse auch Deutschland vor der eigenen Haustür kehren: Während der Pandemie seien Millionen Menschen „gegen ihren Willen festgehalten“ und „genötigt worden Impfstoffe zu testen.“

Die Menschenrechte dürften nicht genutzt werden, um die Welt in „gute und schlechte Staaten“ einzuteilen, mahnte Basak Cali, Professorin für Internationales Recht an der Hertie School. Überall auf der Welt kämpften Menschen für Menschenrechte, gab die Expertin zu bedenken, in China, im Iran - aber auch in Deutschland und in den USA. Menschenrechtsstandards seien nicht fix, sie müssten immer wieder überprüft und angepasst werden, so Cali mit Blick auf die Klimakrise oder die Nutzung Künstlicher Intelligenz. Hier seien vor allem die Vereinten Nationen, als einzige globale Institution, besonders gefragt, aber auch regionale Menschenrechtsinstitutionen wie der Europarat. 

Katja Drinhausen vom Mercator Institute for China Studies, hob hervor, dass China nicht nur internationale Menschenrechtsstandards verletze, sondern auch chinesische Rechtsstandards. In den aktuellen Protesten gegen die Null-Covid-Politik der chinesischen Führung sah die Sinologin und Rechtswissenschaftlerin auch als einen neuen „Prüfstein“ für Deutschland, deren Einhaltung anzumahnen. Chinas Politik sei eine Herausforderung, räumte die Sachverständige ein und riet dazu, sich „Strategien für den Umgang“ damit zuzulegen. Angesichts des zunehmenden Macht- und Kontrollanspruchs der Kommunistischen Partei unter Xi Jinping sei jedenfalls nicht mit einer „Abkehr“ von diesem Weg zu rechnen.

Heiner Bielefeldt, Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Universität Erlangen-Nürnberg, schließlich unterstrich angesichts der gewachsenen Aggressivität autokratischer Regime das Potenzial der rechtsstaatlichen Demokratie, sich „kritisches Vertrauen zu erarbeiten“. Dieses Potenzial dürfe nicht kleingeredet werden, so der Theologe und Historiker in seiner Stellungnahme. Autokratien hätten dieses Potenzial nicht, müssten stattdessen von ihren Bevölkerungen blindes Vertrauen abverlangen. Dass die Attraktivität der Menschenrechte trotz aller Angriffe „ungebrochen“ sei, zeige sich dieser Tage wieder - auf den Straßen im Iran ebenso wie in China.

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