23.04.2023

Baurechtsänderungen zum Katastrophenschutz befürwortet

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(hib/VOM) Geplante Änderungen des Baurechts im Hinblick auf den Katastrophenschutz, die Privilegierung des Ausbaus erneuerbarer Energien und die Unterbringung von Flüchtlingen sind am Montag bei Sachverständigen auf grundsätzliche Zustimmung gestoßen. Im Detail empfahlen sie in einer öffentlichen Anhörung des Bauausschusses an der ein oder anderen Stelle jedoch Präzisierungen. Die Koalitionsfraktionen planen, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Stärkung der Digitalisierung in Bauleitplanung und zur Änderung weiterer Vorschriften (20/5663), zu dem im Bauausschuss bereits am 13. März eine Anhörung stattfand, zu erweitern. Dazu haben sie einen Änderungsantrag vorgelegt, der Änderungen des Baugesetzbuches, der Baunutzungsverordnung, des Windenergieflächenbedarfsgesetzes, des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und des Wasserhaushaltsgesetzes vorsieht.

So soll zur Bewältigung der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal im Sommer 2021 eine Wiederaufbauklausel in das Baugesetzbuch aufgenommen werden. Bereits unmittelbar nach der Katastrophe war der Paragraf 246c des Baugesetzbuches beschlossen worden, der vorsah, dass in den betroffenen Gemeinden bestimmte mobile bauliche Anlagen und Einrichtungen vorübergehend errichtet werden konnten, ohne dass dabei die Vorgaben des Bauplanungsrechts eingehalten werden mussten. Diese Vorschrift lief Ende 2022 aus. Die Koalition schlägt nun einen Paragrafen 246c als Anschlussregelung in dem Sinne vor, dass allgemein in Katastrophenfällen eine Wiederaufbauklausel zur Verfügung steht, die dauerhaft anwendbar ist und eine schnelle Versorgung, etwa mit Wohnraum, ermöglicht.

Darüber hinaus soll der zügige Ausbau der erneuerbaren Energien künftig als „Allgemeinwohlgrund“ im Baugesetzbuch aufgeführt sein, um von den Vorgaben eines Bebauungsplans befreit werden zu können. Erneuerbare-Energien-Vorhaben sollen durch weitere Änderungen im Gesetz und in der Baunutzungsverordnung leichter zulässig werden. So soll es eine Außenbereichsprivilegierung zugunsten der energetischen Nutzung von land- und forstwirtschaftlichen Flächen (sogenannte Agri-Photovoltaik-Anlagen) geben, in die auch Gartenbaubetriebe einbezogen werden sollen. Erleichtern will die Koalition zudem die Errichtung und Inbetriebnahme von Anlagen zur Erzeugung von Strom aus Sonnen- und Windenergie vor allem in Gewerbe-, Industrie- und sonstigen Sondergebieten. Schließlich sollen auch die Sonderregelungen zur Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern in den Kommunen um drei Jahre bis Ende 2027 verlängert werden. Um die Gemeinden zu entlasten, soll die Errichtung der Unterkünfte für einen längeren Zeitraum ohne entsprechende Bauleitplanung möglich sein.

Tine Fuchs, Abteilungsleiterin für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen beim Zentralen Immobilien-Ausschuss (ZIA), trat dafür ein, die Sonderregelung zur Flüchtlingsunterbringung in das allgemeine Bauleitplanverfahren zu überführen. Die Verlängerung der Befristung reiche nicht aus, kein einziges befristet genehmigtes Gebäude sei je wieder abgerissen worden. Die Definition sogenannter „Wiederaufbaugebiete“ im Katastrophenfall hielt sie für zu unbestimmt. Den Ausbau erneuerbarer Energien begrüßte Fuchs, doch sollten „Flächenkonkurrenzen“ zwischen Gewerbe, Wohnen und erneuerbaren Energien vermieden werden. Wichtiger erscheine, den Aufbau von erneuerbaren Energien auf Dächern und als Nebenanlagen zu Gebäuden zu erleichtern.

Fritz Jaeckel, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, sagte, die kommunalen Bauämter müssten nach Katastrophen zwei- bis dreistellige Millionenbeträge umsetzen und seien damit überfordert. Zur Gebietskulisse des Wiederaufbaus riet Jaeckel, diese weiter zu fassen, um Streitigkeiten zu vermeiden. Jaeckel unterstützte die Entsiegelung von Flächen, um künftige Schadenereignisse zu verhindern.

Boas Kümper von der rechtswissenschaftlichen Fakultät und dem Zentralinstitut für Raumplanung der Universität Münster sah Präzisionsbedarf bei der Frage, was nach Katastrophen unter „angepasster Bauweise“ zu verstehen ist und vermisste den Hinweis darauf, dass „nicht angepasste Bauweise“ unterbunden werden müsse. Seiner Ansicht nach sollte eine Ergänzung der Verordnungsermächtigung in Betracht gezogen werden, um einem nicht-katastrophenangepassten Wiederaufbau entgegenwirken zu können.

Hilmar von Lojewski, Beigeordneter und Leiter des Dezernats Stadtentwicklung, Bauen, Wohnen und Verkehr des Deutschen Städtetages, hielt es für richtig, die „Befreiungsspielräume“ für den Ausbau erneuerbarer Energien zu erweitern. Kritisch sah er jedoch die Außenbereichsprivilegierung. Was die Digitalisierung angehe, müsse man schrittweise vorankommen, sie könne nicht per Gesetz verordnet werden.

Nadine Schartz, zuständig für Umwelt und Klimaschutz, Bauen und Wohnen, Abfallwirtschaft, Land- und Forstwirtschaft beim Deutschen Landkreistag, argumentierte ähnlich. Die vorgesehene Privilegierung von Erneuerbare-Energien-Anlagen im Außenbereich führe dort zu Flächenkonkurrenzen. Wenn in Gewerbe- oder Industriegebieten freie Flächen dafür zur Verfügung gestellt werden sollten, müssten an anderer Stelle wieder Gewerbegebiete ausgewiesen werden. Andere Freiflächen würden für die Landwirtschaft gebraucht. Daher wünsche sich der Deutsche Landkreistag, den Fokus bei erneuerbaren Energien auf den Innenbereich zu richten. Schartz empfahl, das Baurecht nicht zu überfrachten und die kommunale Planungshoheit nicht weiter einzuschränken.

Michael Reinhardt, Professor für öffentliches Recht an der Universität Trier, bemängelte, dass der Begriff der hochwasserschutzangepassten Bauweise nicht konkretisiert sei. Für „nicht unproblematisch“ hielt er es, dass Landesregierungen ermächtigt werden, durch Rechtsverordnung die Anwendung eines Bundesgesetzes auszusetzen. Konfliktpotenzial bietet für ihn auch die Handhabung von Hochwasserschutz und Naturschutzrecht. Aus seiner Sicht wäre es geboten, eine Abwägung zugunsten des Bevölkerungsschutzes vorzustrukturieren.

Martin Rumberg, stellvertretender Vorsitzender der Vereinigung für Stadt-, Regional- und Landesplanung (SRL), begrüßte die vorgesehene Katastrophenregelung, die für die Handlungsfähigkeit der Gemeinden hilfreich sei. Für wünschenswert hielt er jedoch eine präzisere Festlegung der Wiederaufbaugebiete. Die Gesetzesvorlage sage auch nichts darüber, wann Ersatzflächen benötigt werden und wie der Katastrophenschutz bodenrechtlich umgesetzt werden kann.

Gernot Schiller, Fachanwalt für Verwaltungsrecht in der Anwaltskanzlei Redeker Sellner Dahs, hielt es für richtig, die Wiederaufbauklausel auf alle Katastrophenfälle, nicht nur bei Hochwasser, zu erweitern. Problematisch fand er die fehlende Festlegung des Katastrophenfalls. Rechtliche Probleme gebe es nicht, so Schiller, nach Ablauf der Genehmigung gebe es eine Rückbaupflicht und gegebenenfalls eine Beseitigungsanordnung. Im Vollzug seien jedoch Probleme zu befürchten.

Georg Seitz, Präsident des Landesfeuerwehrverbandes Sachsen, berichtete, den Katastrophenfall könne man nicht verallgemeinern. Die Feuerwehr handele im Vorhinein, im Zweifelsfall würden Turnhallen und Gebäude „okkupiert“, alles gehe auf persönlicher Ebene.

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