15.11.2023

Bleiben, zurückkehren oder weiterreisen? BAMF-Forschungszentrum legt erstmals Studie zu ausreisepflichtigen Personen vor

Der Umgang mit Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland ist immer wieder Thema der politischen Debatte. Es geht um Rückkehr – gefördert und zwangsweise – aber auch um eine Bleibeperspektive für Menschen, die mitunter seit mehreren Jahren in Deutschland leben und eine Duldung besitzen. So hat die aktuelle Bundesregierung im Koalitionsvertrag für diesen Personenkreis ein "Chancen-Aufenthaltsrecht" vereinbart.

Im Rahmen der "Machbarkeitsstudie zur Im-/Mobilität ausreisepflichtiger Personen in Deutschland (MIMAP)" nimmt das BAMF-Forschungszentrum erstmals Lebensrealitäten von Menschen ohne Bleiberecht in den Blick. Ziel ist es, Erkenntnisse zu ihren Motiven, Perspektiven und Handlungsspielräumen zu gewinnen, die mit den drei Optionen Verbleib, Rückkehr und Weiterwanderung in Verbindung stehen.

In der neuen Kurzanalyse „Wege aus der Ausreisepflicht nach ablehnender Asylentscheidung“ wurden zunächst die aufenthaltsrechtlichen Verläufe von allen Personen untersucht, die im Zeitraum 2013 bis 2022 in Deutschland einen Asylantrag gestellt und keinen Schutz erhalten haben. Mit einer ablehnenden Entscheidung im Asylverfahren besteht für diese Personen die Pflicht zur Ausreise. Die Datenbasis der Analyse bildet das Ausländerzentralregister (AZR). Dieses wurde im Längsschnitt ausgewertet. Folgende Fragen standen dabei im Mittelpunkt. Wie und wann beenden Personen die Ausreisepflicht? Geschieht dies über freiwillige Ausreise, zwangsweise Rückführung, Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis oder ein Asylfolgeverfahren?

Zentrale Ergebnisse
In den vergangenen zehn Jahren nahm die Zahl an ausreisepflichtigen Personen kontinuierlich zu. Dies geschah nicht zuletzt aufgrund zeitweise zunehmender Asylentscheidungen und damit einhergehend gestiegener Asylablehnungen. Personen mit Ausreisepflicht gingen in diesem Zeitraum häufig den Weg der freiwilligen Ausreise oder erreichten eine rechtmäßige Aufenthaltserlaubnis, um die aufenthaltsrechtliche Illegalität zu beenden. Eine kumulative Wahrscheinlichkeit lag für beide Wege aus der Ausreisepflicht bei jeweils 34%.

Allerdings unterscheiden sich beide Wege deutlich in der Dynamik. Die freiwillige Ausreise – ob gefördert oder aus eigenem Antrieb – ist in den ersten zwei Jahren nach Eintritt der Ausreisepflicht am wahrscheinlichsten. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer in Deutschland wird eine Ausreise seltener in Erwägung gezogen. Da viele Personen mit Ausreisepflicht den Weg der freiwilligen Ausreise wählen, sollte die Rückkehrförderung in den Mittelpunkt der Debatte über den Umgang mit ausreisepflichtigen Personen rücken. Dabei ist es wichtig, frühzeitige Rückkehrberatung anzubieten sowie Reintegrationsunterstützung auszubauen.

Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigt die Wahrscheinlichkeit, die Ausreisepflicht durch den Erhalt einer Aufenthaltserlaubnis zu beenden. Die bisher am häufigsten erteilten Aufenthaltserlaubnisse an ausreisepflichtige Personen mit ablehnender Asylentscheidung waren solche zur Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen nach § 25a AufenthG und bei nachhaltiger Integration nach § 25b AufenthG. Die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis geschieht meist erst nach mehreren Jahren in der Ausreisepflicht und ist ein wichtiger Weg zur Reduzierung von Langzeitduldungen. Hier setzt auch das neu eingeführte Chancen-Aufenthaltsrecht (§ 104c AufenthG) an. Das Chancen-Aufenthaltsrecht steht beispielswiese auch Personen offen, deren Duldung mit umfangreichen rechtlichen Einschränkungen einhergeht, wie die “Duldung light” für Menschen mit ungeklärter Identität nach § 60b AufenthG. Die Analysen zeigen, dass diese Personen bislang, trotz Restriktionen wie Arbeitsverboten und räumlichen Beschränkungen, über viele Jahre in der Ausreisepflicht verbleiben.

Weiterführende Informationen zum Projekt finden Sie hier:
https://www.bamf.de/SharedDocs/ProjekteReportagen/DE/Forschung/Migration/mimap.h...

Über das BAMF-Forschungszentrum
Mit der Arbeit des 2005 gegründeten Forschungszentrums kommt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seiner gesetzlichen Aufgabe nach, wissenschaftliche Forschung zu Migrations- und Integrationsthemen zu betreiben. Das Forschungszentrum betrachtet das Migrationsgeschehen nach und von Deutschland und analysiert die Auswirkungen der Zuwanderung. Es begleitet Integrationsprozesse und trägt mit seinen Erkenntnissen entscheidend zur Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen auf Bundesebene bei. Weitere Forschungsschwerpunkte sind u. a. Erwerbs- und Bildungsmigration, Fluchtmigration, Rückkehr und sicherheitsrelevante Aspekte der Zuwanderung. Damit leistet das BAMF-Forschungszentrum einen grundlegenden Beitrag zum Informationstransfer zwischen Wissenschaft, Verwaltung, Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Weitere Informationen unter: https://www.bamf.de/DE/Themen/Forschung/forschung-node.html

Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

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