07.08.2022

Jugendstudie „Junges Europa 2022“

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Jugendstudie „Junges Europa 2022“ der TUI-Stiftung: Klima, Krieg, Corona: Wie junge Europäer über die Weltkrisen denken

  • Mehrheit der jungen Europäerinnen und Europäer begreifen Krieg in der Ukraine als Zeitenwende
  • Klimakrise für 16- bis 26-Jährige größere Bedrohung als Ukraine-Krieg und Corona-Pandemie, Kampf gegen Klimawandel sichert zukünftige Freiheit
  • Klima und Wirtschaft bleiben für junge Menschen wichtigste Themen der EU
  • Stimmung der jungen Europäerinnen und Europäer trübt sich ein Berlin, 7. Juli 2022. Junge Menschen in Europa fühlen sich stärker durch den Klimawandel

bedroht als durch den Krieg in der Ukraine oder die Corona-Pandemie. Auch bei den derzeit drängendsten Problemen der EU hat für sie der Umwelt- und Klimaschutz gemeinsam mit Migration und Asyl oberste Priorität (je 30 Prozent), während Außenpolitik und Verteidigung (24 Prozent) an vierter Stelle folgen. Das zeigen die Ergebnisse der sechsten repräsentativen Jugendstudie „Junges Europa“ der TUI Stiftung, die heute in Berlin vorgestellt wurde. Das Meinungsforschungsinstitut YouGov befragte dazu im April 2022 mehr als 6.000 Menschen zwischen 16 und 26 Jahren in Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen.
„Die Jugendstudie der TUI Stiftung zeigt, wie junge Europäerinnen und Europäer zwischen einschneidenden Krisenerfahrungen – Krieg, Klimawandel, Corona – auf Pragmatismus und Kompromissbereitschaft setzen, um die Herausforderungen unserer Zeit anzugehen. 71 Prozent von ihnen stimmen der Aussage zu, dass es Kompromisse bedarf, um Erfolge beim Klimaschutz zu erzielen. Sie scheinen sich der Zielkonflikte in Klima- und Energiefragen sehr bewusst zu sein, die sich aus politischen Entscheidungen ergeben. Dabei begreifen 66 Prozent der Befragten Maßnahmen gegen den Klimawandel als Sicherung zukünftiger Freiheit. Auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine herrscht großer Realismus. Mehr als 60 Prozent der Befragten nehmen den Krieg als eine Zeitenwende war. Um Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen in einem anderen Land zu stoppen, finden höhere Kosten für Benzin, Lebensmittel oder Energie bei jungen Europäern naturgemäß weniger Zustimmung als die politischen Entscheidungen, wie zum Beispiel die Lieferung von Waffen oder Wirtschaftssanktionen. Es ist ein pragmatischer Umgang mit den anstehenden Herausforderungen. Die Studienergebnisse zeigen eine Generation, die realistisch in der Analyse ist sowie konstruktiv und pragmatisch bei der Frage, wie die Zukunft gestaltet werden kann,“ kommentiert Thomas Ellerbeck, Vorsitzender der TUI Stiftung, die Ergebnisse der Jugendstudie.
Die Mehrheit der europäischen Jugend sieht im Krieg in der Ukraine eine Zeitenwende. 26 Prozent der Befragten stimmen dieser Aussage „stark“ und 40 Prozent „etwas“ zu. Insbesondere junge Griechinnen und Griechen begreifen den Krieg als einen grundlegenden Einschnitt, der die Ordnung der Welt verändert. 43 Prozent von ihnen nehmen den Krieg „stark“, 38 Prozent „etwas“ als Zeitenwende wahr. In Deutschland liegt die Bewertung sehr nah an den Gesamtwerten: 28 Prozent der Befragten stimmen „stark“ zu, 39 Prozent „etwas“.

Ängste der jungen Erwachsenen vor Krieg in einem EU-Land nehmen zu

Vor allem in Polen, Deutschland, Italien und Griechenland empfinden junge Menschen den Überfall Russlands auf die Ukraine als persönliche Bedrohung, am wenigsten sind die Ängste in Großbritannien ausgeprägt. Auch die Furcht vor einem Krieg in einem EU-Land nimmt zu: Fast die Hälfte (46 Prozent) der jungen Europäer halten einen Krieg in einem EU-Mitgliedsland in den nächsten zehn Jahren für möglich, 2020 waren es nur 37 Prozent.
Um die humanitäre Lage zu verbessern, zeigen junge Europäer eine hohe Bereitschaft für persönliches und staatliches Engagement. Dabei fällt auf, dass die Zustimmungswerte insbesondere dann geringer ausfallen, wenn mit den Maßnahmen persönliche Kosten verbunden sind. So würden zwei Drittel (68 Prozent) der Befragten Geflüchtete im eigenen Land aufnehmen. 54 Prozent von ihnen würden akzeptieren, dass ihr Land anderen Ländern Waffen liefert, um dort Kriegsverbrechen und Menschenrechtverletzungen zu stoppen. Dagegen fällt die Bereitschaft deutlich geringer aus, höhere Kosten für Benzin (35 Prozent der jungen Europäerinnen und Europäer stimmen zu, in Deutschland 45 Prozent), für Lebensmittel (35 Prozent Europa, 45 Prozent Deutschland) und für Wärme und Strom (34 Prozent Europa, 44 Prozent Deutschland) zu akzeptieren.
Zwar befürworten 61 Prozent der jungen Menschen in Europa Waffenlieferungen an die Ukraine, davon allerdings weniger als ein Drittel der Befragten (27 Prozent) „voll und ganz“. 34 Prozent unterstützen sie „eher“. Am stärksten ist die Zustimmung in Polen, wo 47 Prozent der jungen Menschen „voll und ganz“ hinter den Waffenlieferungen stehen. In Griechenland (14 Prozent „voll und ganz“) und Italien (19 Prozent) sind junge Menschen am skeptischsten.
Bewertungen der EU bleiben stabil
Obwohl durch den Krieg in der Ukraine die militärische Bedrohung in Europa im Jahr 2022 gestiegen ist, wird die EU nicht als militärische Allianz wahrgenommen. Vor fünf Jahren waren es 39 Prozent und in 2022 38 Prozent der Befragten, die angaben, dass der Begriff „militärisches Bündnis“ die EU am besten beschreibt. Für die Mehrheit (68 Prozent) ist es vor allem ein wirtschaftlicher Zusammenschluss. Auch an der Wahrnehmung der EU als eine Institution, die den Frieden zwischen den Staaten Europas sichert, ändert der Krieg in der Ukraine nur wenig: Im Jahr 2017 sagten 63 Prozent der befragten 16- bis 26-Jährigen, dass die EU dazu „absolut notwendig“ sei, im April 2022 waren es 62 Prozent.
„Für junge Erwachsene in Europa ist die Europäische Union vor allem ein Wirtschaftsbündnis und ein Verbund von Ländern, in dem man frei reisen, wohnen und arbeiten kann. Diese Zuschreibungen ändert auch der Krieg in der Ukraine nicht. Die Bewertungen der EU bleiben stabil: 23 Prozent der Befragten halten das aktuelle Verhältnis zwischen der EU und ihren Mitgliedsländern für „genau richtig“, 42 Prozent der jungen Europäer wünschen sich, dass die Verbindungen zwischen den Mitgliedsstaaten der EU enger werden. Auch hier gibt es kaum Veränderungen zu den Ergebnissen in 2020. Während wir in Deutschland die geringsten Zustimmungswerte für die EU-Mitgliedschaft des eigenen Landes seit Start der Jugendstudie im Jahr 2017 messen, würden in Polen mit sieben Prozent so wenige junge Menschen wie noch nie für den Austritt ihres Landes aus der EU stimmen,“ sagt die Geschäftsführerin der TUI Stiftung, Elke Hlawatschek.

Trotz Krieg und Pandemie: Klimawandel bleibt Thema Nummer eins für junge Europäer

Fast die Hälfte der Befragten (46 Prozent) glaubt, dass durch den Krieg in der Ukraine die Energiewende in Europa beschleunigt wird. Gleichzeitig zeigen sich die Jugendlichen und jungen Erwachsenen wenig ideologisch: Um unabhängig von russischer Energie zu werden, sollten Atomkraftwerke (44 Prozent) länger in Betrieb bleiben. Bei Kohlekraftwerken fällt mit 37 Prozent die Zustimmung deutlich geringer aus. Mehr als zwei Drittel (71 Prozent) finden: Erfolge im Klimawandel können nur erzielt werden, wenn Politik und Gesellschaft kompromissbereit sind. Junge Menschen sind sich nicht nur des Problems Klimawandel bewusst, sondern sehen auch die Zielkonflikte, die sich beispielsweise aus der Energiekrise ergeben.
Mehr als jeder Zweite findet, dass die EU-Länder den Kampf gegen den Klimawandel höher priorisieren sollten als Energieunabhängigkeit (52 Prozent). Wie auch vor dem Krieg in der Ukraine bewerten junge Europäer heute den Kampf gegen den Klimawandel höher als Maßnahmen für mehr Wirtschaftswachstum. Jedoch zeigt sich hier im Zeitvergleich in fast allen Ländern ein rückläufiger Trend. Während etwa in Deutschland im vergangenen Jahr noch 47 Prozent der Befragten dem Klimawandel den Vorrang gaben, tun dies 2022 nur noch 36 Prozent.
„Was bei dieser Priorisierung überrascht: Weder Geschlecht, Bildungsstand, Wohnort, noch der Lebensstandard des Elternhauses machen einen wesentlichen Unterschied bei der Bewertung von Klimaschutzmaßnahmen. Junge Europäerinnen und Europäer sind sich der Dringlichkeit bewusst, mit der Lösungen für das Klima gefunden werden müssen. Es sind allerdings neue Konfliktlinien zu erkennen: Während in Deutschland, Frankreich und Großbritannien Umwelt- und Klimaschutz zu den wichtigsten Aufgaben sowohl der EU und der einzelnen Mitgliedsländer gehört, sehen junge Menschen in Spanien, Polen, Italien und Griechenland ausschließlich die EU am Zug. In diesen Ländern sind Themen wie Arbeitslosigkeit und Sozialpolitik für junge Menschen deutlich wichtiger. Aus der Jugendstudie wird klar, dass die Frage des Klimaschutzes weniger zwischen den sozialen Klassen einzelner Gesellschaften strittig ist, sondern vielmehr zu Spannungen zwischen den EU-Mitgliedern führt, deren Lebenssituationen und wirtschaftliche Kraft stark voneinander abweichen,“ erklärt Marcus Spittler von der Humboldt Universität Berlin, der die europäische Jugendstudie wissenschaftlich beraten hat.

Mehrheit: Maßnahmen gegen Klimawandel sichern zukünftige Freiheit

Maßnahmen gegen den Klimawandel werden mehrheitlich als Beitrag zur Sicherung zukünftiger Freiheit (66 Prozent) denn als Beschränkung von den jungen Europäern wahrgenommen. Rund ein Viertel der jungen Deutschen (26 Prozent) empfindet sie allerdings auch als Einschränkung. Das ist im Ländervergleich die höchste Prozentzahl – in Italien sind es nur 11 Prozent.
Vom Staat erwarten sich junge Menschen aktive Unterstützung im Kampf gegen den Klimawandel. 58 Prozent der Befragten meinen, dass er zum Beispiel über höhere Steuern, Regeln und Verbote dafür sorgen soll, dass Produkte und Dienstleistungen klimafreundlich sind. Geht es um ein Zulassungsstopp für Benzin – und Dieselautos, nimmt die Zustimmung ab. 40 Prozent der jungen Europäer sind für einen solchen Schritt, die geringsten Zustimmungswerte dafür gibt es in Polen (29 Prozent) und Deutschland (34 Prozent).

Die Stimmung trübt sich ein

Zwar ist in Bezug auf die Lebenssituation junger Menschen eine leichte Verbesserung zu beobachten. Weiterhin gibt rund ein Drittel der Befragten an, ihre Lebenssituation habe sich durch die Pandemie verschlechtert, ihr Anteil ist im Vergleich zum Vorjahr deutlich gesunken (2021: 52 Prozent, 2022: 36 Prozent). Die Mehrheit der Befragten in jedem Land – mit Ausnahme von Griechenland – gibt an, die Lebenssituation sei durch die Pandemie gleichgeblieben. Dies ist einerseits auf die Lockerungen der Maßnahmen zurückzuführen, könnte andererseits aber auch dafür sprechen, dass sich junge Menschen an die Situation gewöhnt und sich mit den Auswirkungen auf das öffentliche Leben besser arrangiert haben.
Allerdings sind junge Menschen im Jahr 2022 weniger optimistisch, was ihre Zukunftsaussichten angeht. Mit Ausnahme der 16- bis 26-Jährigen in Spanien und Italien steigen in Deutschland (von 29 Prozent in 2017 auf 35 Prozent in 2022), Frankreich (von 33 auf 41 Prozent), Griechenland (von 27 auf 30 Prozent), Polen (von 18 auf 32 Prozent) und in Großbritannien (von 29 auf 41 Prozent) die pessimistischen Einstellungen in Bezug auf die die persönliche Situation jeweils auf Rekordwerte. Seit 2017 fragt die TUI Stiftung diese Zukunftsaussichten ab, noch nie wurden die eigenen Perspektiven von jungen Menschen so negativ bewertet. Gleichzeitig bewerten junge Menschen ihre Zukunft teils dramatisch weniger optimistisch als in den vergangenen fünf Jahren. Die Stimmung trübt sich ein.
Corona: Vor allem psychische Gesundheit beeinträchtigt
Mehr als drei von fünf Befragten (62 Prozent) geben an, dass die Pandemie ihre psychische Gesundheit beeinträchtigt hat. Besonders häufig sagen dies Befragte aus Griechenland (72 Prozent). Dort hatte die Pandemie auch starken Einfluss auf die finanzielle Lage (73 Prozent) und berufliche Chancen (63 Prozent) junger Menschen.

Ein Service des deutschen Präventionstages.
www.praeventionstag.de

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