11. Zwischenruf: Erich Marks im Gespräch mit Dr. Miriam Damrow

Dr. Miriam Damrow
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Erich Marks
DPT – Deutscher Präventionstag

Kinderschutz ist systemrelevant
Dr. Miriam K. Damrow

Systemrelevanter Kinderschutz
In Zeiten des bundesweiten Lockdowns werden Hilfestrukturen und in vielen Fällen auch Hilfeprozesse ausgesetzt, die für schutzbedürftige Kinder essenziell sind. Nicht für alle Kinder kann gelten, dass sie in einem liebevollen Zuhause aufwachsen mit interessierten, fürsorglichen Eltern, die ihnen Schutz bieten. Die bisherigen etablierten Hilfestrukturen, Ansprechpartner und Prozesse sind mehr oder weniger abrupt zum Erliegen gekommen, durch die Schließung vieler Ansprechstellen und die daraus folgende (oftmals unzureichende Erreichbarkeit der Ansprechpartner, z.B. von Schulsozialarbeiter*innen) werden insbesondere jene Kinder massiv benachteiligt, die am dringendsten auf funktionierende Strukturen und Prozesse angewiesen sind. Vor dem Hintergrund der bekannten Langzeitfolgen erlittener physischer, psychischer und sexueller Gewalt bleibt unverständlich, wieso Kinderschutz nicht flächendeckend als systemrelevant eingeordnet ist. Zur grundlegenden Versorgung gehört ebenfalls Kinderschutz. Gerade vor dem Hintergrund der Fallzahlen sexueller Gewalt an Kindern und der Tatsache, dass sich sexuelle Gewalt an Kindern vorrangig im sozialen Nahraum des Kindes ereignet, dürfen schutzbedürftige Kinder nicht aus dem Blick geraten.

Kinderschutz oder Gesundheitsschutz?
Natürlich ist der Gesundheitsschutz der Mitarbeitenden signifikant relevant, es wäre aber weitaus hilfreicher, flächendeckend auch in Zeiten eingeschränkter Erreichbarkeit so schnell als möglich Prozesse und Strukturen zu entwickeln, die gefährdete Kinder (überhaupt) schützen. Die Abwägung von Gesundheitsschutz vor (bzw. überspitzt: gegen) Kinderschutz erscheint vor diesem Hintergrund fatal, darf aber auch nicht zum Gegenteil verführen. Ideal wäre eine Synopse beider Dimensionen. Hier sind dringend Möglichkeiten zu schaffen, Kinderschutz auch weiterhin flächendeckend und umfassend zu gewährleisten: Kinder sind im Hinblick auf sexuelle Gewalt in ruralen Kontexten wahrscheinlich ebenso gefährdet wie in urbanen Kontexten. Zudem können sich soziodemographische Faktoren im Moment stärker auswirken, ohne dass Puffer zur Verfügung stehen. Dies betrifft zum Beispiel Konstellationen, in denen Kinder sich niemandem anvertrauen können, wenn sie nicht alleine und ungestört telefonieren können, wenn die Internetverbindungen schwach, störanfällig oder kaum vorhanden sind, wenn alleiniger und ungestörter Zugang zu Geräten nicht möglich ist (bzw. wenn in den Haushalten entsprechende Geräte nicht zur Verfügung stehen).

Was könnte / würde helfen?
Hilfreich könnten zur Erreichung dieser vulnerablen Kinder Maßnahmen massenmedial geschalteter Werbung (z.B. der kostenlosen Hotline Nummer gegen Kummer,  https://www.nummergegenkummer.de/) bzw. erhöhter Präsenz in sozialen Medien sein, die gleichzeitig zur Sensibilisierung beitragen (ein Beispiel zur Realisierung findet sich bei der Internetpräsenz des Unabhängigen Beauftragten, https://beauftragter-missbrauch.de/).

Kontaktdaten:
Dr. Miriam K. Damrow, Institut für Medizinische Psychologie, Walther-Rathenau-Str. 48, 17475 Greifswald, miriamkristina.damrow@med.uni-greifswald.de
https://www2.medizin.uni-greifswald.de/medpsych/index.php?id=560

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