Kongressprogramm

Zur Beschneidungskontroverse – religiöse Selbstbestimmung, Sorgerecht, Kindeswohl und Strafrecht

Abstract:
Das „Gesetz über den Umfang der Personensorge bei einer Beschneidung des männlichen Kindes“ v. 12.12.2012 hat vorerst Rechtsklarheit geschaffen in der durch ein umstrittenes Strafurteil des Kölner Landgerichts ausgelösten Rechtsunsicherheit und teils leidenschaftlich geführten öffentlichen Kontroverse. Gleichwohl bleiben ungeklärte Fragen. Auch stellt sich die Grundsatzfrage nach dem Verhältnis von Recht und Religion im säkularen Rechtsstaat. Die rechtliche, zumal strafrechtliche Beurteilung des religiösen Rituals nicht gesundheitlich gebotener Knabenbeschneidungen setzt voraus, sich mit der kultur- und religionsgeschichtlichen Bedeutung sowie mit medizinischen Einschätzungen solcher Eingriffe auseinanderzusetzen. Ihnen wird vor allem in jüdischen und muslimischen Religionsgemeinschaften eine konstitutive Bedeutung beigemessen. Bei dem entstehenden Konflikt zwischen den betroffenen Grundrechten der Unverletzlichkeit des Körpers, des elterlichen Erziehungsrechts und den Eltern zuvörderst zustehenden Bestimmung der Inhalte des Kindeswohls auch in religiöser Hinsicht sowie der Religionsfreiheit ist eine Abwägung geboten. In ihr kommt dem derzeitigen Befund, dass Knabenbeschneidungen durch erfahrene Fachleute unter Wahrung ärztlicher Standards nach überwiegender Meinung keine unvertretbaren Risiken aufweisen, ebenso große Bedeutung zu wie den von einem gesetzlichen Verbot solcher Eingriffe zu erwartenden Beeinträchtigungen betroffener Bevölkerungsgruppen. Dieser Beurteilung werden das neue Gesetz gerecht, nicht hingegen das Kölner Urteil und der im Bundestag zuvor eingebrachte Gegenentwurf. Anregungen zu weiteren Klärungen unter Fachleuten und zu innerreligiöser Weiterentwicklung erscheinen angebracht.
Vita:
1938 Geboren in Hamburg, aufgewachsen in Hamburg und Bayern
1958 Abitur am Christianeum, Hum. Gym., in Hamburg
1958-1962 Studium der Rechtswissenschaften in Hamburg
1962 Erste Juristische Staatsprüfung
1965 Promotion
1965-1968 Referendariat in Hamburg und Bonn (Wiss. Dienst des Bundestags)
1968 Große Juristische Staatsprüfung in Hamburg
1968-1971 Richter in einer Jugendstrafkammer des Landgerichts und Dozent an der Universität Hamburg
1972-1975 Drogenforschung, Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft
1975 Habilitation für Kriminologie und Strafrecht
1976 Nach einjähriger Lehrstuhlvertretung in Hamburg: Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Justus-Liebig-Universität Gießen
Seit 1992 auch Direktor des Instituts für Kriminologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen e.V.
Sept. 2006 Emeritierung
Über 300 wissenschaftliche Publikationen zum Arztstraf-, Jugendstraf-, Strafprozeß-, Strafvollzugsrecht, zum Staatsrecht, zur empirischen Strafverfahrens- und Sanktionswissenschaft, Dunkelfeld-, Jugend-, Alters- und Drogenforschung
Mitwirkung in zahlreichen kriminalpolitischen Beratungs- und Forschungsgremien, gegenwärtig vor allem im Hessischen Landespräventionsrat und im Fachbeirat Vorbeugung im Weißen Ring
Vortrags- und Forschungsreisen in viele Länder
Verheiratet mit Gisela Kreuzer, Kinder Anselm und Gundula

Downloads

23. April 2013
14:00 - 15:00 Uhr
Vortrag