10.10.2023
Krisen und Prävention: Der Deutsche Präventionstag veröffentlicht die „Mannheimer Erklärung“ des 28. Fachkongresses zur Gewalt- und Kriminalprävention

Der 28. Präventionstag hat sich intensiv mit dem drängenden Thema multipler Krisen in der Gesellschaft beschäftigt und den Beitrag der Prävention zur Vorbeugung und Bewältigung dieser Krisensituationen untersucht. Als Ergebnis des intensiven Austausches und auf Grundlage der Forschungsdebatten des Kongresses wurde gemeinsam mit den Partnerorganisationen Stiftung Deutsches Forum für Kriminalprävention (DFK), Polizeiliche Kriminalprävention der Länder und des Bundes (ProPK), sowie WEISSER RING e.V die „Mannheimer Erklärung“ verfasst.

Die „Mannheimer Erklärung“ ist ein wegweisendes Dokument für die Präventionsbemühungen in Zeiten von diversen Krisen und reflektiert die umfassenden Debatten und Analysen des 28. Deutschen Präventionstages. Krisen werden in diesem Zusammenhang als Phase verstanden, in der einschlägige Veränderungen bevorstehen, es aber noch unklar ist, ob diese zu einer Katastrophe führen. Die Wahrnehmung und Einschätzung von Krisen ist subjektiv und kann sich je nach sozialen Kontexten wandeln. Die Gesellschaft sieht sich aktuell mit einem Anstieg an Krisen konfrontiert, die systemische Risiken bergen, und muss sich mit Themen wie dem Klimawandel, der COVID-19-Pandemie oder Krieg in Europa sowie den daraus resultierenden Folgen auseinandersetzen.

Im Rahmen von gesamtgesellschaftlichen Krisen beinhaltet Prävention nicht nur das Verhindern von kritischen Situationen, sondern setzt sich für die Stärkung von Resilienz ein, um bestehende Krisen erfolgreich zu bewältigen und Widerstandskräfte zu stärken. Präventionsarbeit vollzieht sich hier auf unterschiedlichen Ebenen: auf der Ebene des individuellen Umgangs mit Krisen, auf der Ebene organisationaler Risikovorsorge und kommunalen Krisenmanagements sowie auf gesamtgesellschaftlicher Ebene.

Die „Mannheimer Erklärung“ betont die Bedeutung von Schutzfaktoren auf individueller Ebene zur Stärkung von Resilienz im Umgang mit Krisen. Dies verhindert Gefühle von Verunsicherung, Orientierungslosigkeit und Kontrollverlust. Hier wird vor allem die Notwendigkeit einer kinderorientierten und persönlichkeitsstärkenden Erziehung deutlich, vor allem für Kinder aus schwierigen Verhältnissen. Weiterhin gestärkt werden muss die Ambiguitätstoleranz – das Aushalten und Akzeptieren von Widersprüchlichkeiten und Mehrdeutigkeit – sowie die Kompetenz, angemessen mit wissenschaftlichen Aussagen und Quellen umzugehen. Resilienz gegenüber Krisen auf einer individuellen Ebene ist dann erfolgreich, wenn Menschen „Selbstwirksamkeit“ erfahren und ihr eigenes Handeln als positiven Beitrag wahrnehmen. Gleichzeitig gilt es zu verhindern, dass antidemokratische und radikale Gruppierungen Krisen nutzen, um Schuldzuweisungen gegenüber marginalisierten Menschen zu äußern und somit ihren Einfluss mit Hilfe von Desinformation stärken. Diese Gefahr wird verstärkt durch das Erleben von Verteilungsungerechtigkeit. Die „Mannheimer Erklärung“ setzt sich in diesem Zusammenhang für die Vermeidung von Entsolidarisierung und Abwertung von gesellschaftlich schwachen Gruppen ein. Die Unterstützung der individuellen psychischen Gesundheit bleibt Querschnittsthema der Prävention und wird in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen verortet.

Auf kommunaler und organisationaler Ebene unterstreicht die Erklärung, dass soziale Gemeinschaften von zentraler Bedeutung sind, um Krisen erfolgreich zu meistern. Sozialer Zusammenhalt und das Sozialkapital vor Ort muss aus diesem Grund gefördert werden. Dies beinhaltet, dass sich die Bevölkerung aktiv bei der Behebung von Krisen einbringt. Bevölkerung wird hier im Sinne des Konzepts der „Community Resilience“ verstanden und versteht sich als aktives Mitglied der Krisenprävention und -bewältigung. Transparente Kommunikation und Austausch ist in diesem Kontext notwendig, um krisenhafte Geschehnisse zu verstehen, nachzuvollziehen und Handlungsoptionen zu entwickeln. Für einen effektiven Umgang mit Krisen auf kommunaler und organisationaler Ebene sind fachliches Spezialwissen, kontroverse Diskussionen und alternative Lösungsoptionen notwendig. Die „Mannheimer Erklärung“ macht deutlich, dass für organisationale Resilienz Behörden, Unternehmen und weitere Organisationen anpassungsfähig sein und gleichzeitig Strategien entwickeln müssen, um auf Krisensituationen angemessen reagieren und gestärkt daraus hervorgehen zu können.

Nachvollziehbare und transparente Krisenkommunikation führt zur Akzeptanz in der Gesellschaft. Die Erklärung betont, dass im Umgang mit Krisen die Rolle von Wert- und Normvorstellungen für die Kommunikation berücksichtigt werden muss, um beispielsweise nachvollziehbar zu argumentieren warum (vulnerable) Gruppen und Menschen geschützt werden müssen. Eine funktionierende Sozialpolitik kann im Bezug dazu verhindern, dass soziale Benachteiligungen während einer Krise verschärft werden. Die Komplexität von Krisen verlangt nach unterschiedlichen Einschätzungen von Expert:innen, bei denen auch Minderheitsmeinungen berücksichtigt werden müssen, um Risiken zu vermindern. Krisenprävention sollte ebenfalls die Kosten für Prävention ins Verhältnis zum Risiko der jeweiligen Krisen setzen und sich weiterhin kritisch mit bestehenden Strukturen auseinandersetzen.

Multiple Krisen dieser Zeit verlangen nach einschlägigen Strategien der Prävention. Die „Mannheimer Erklärung“ fordert in diesem Kontext die gezielte Förderung von Resilienz auf allen Ebenen der Gesellschaft. Die Erfahrungen und Erkenntnisse dieser Erklärung tragen zu einer gesamtgesellschaftlichen Krisenprävention und -bewältigung bei und reflektieren die Ergebnisse des 28. Deutschen Präventionstages.

Link zur „Mannheimer Erklärung

Hintergrund: Der Deutsche Präventionstag
Der Deutsche Präventionstag ist der weltweit größte Fachkongress für Kriminalprävention und angrenzende Gebiete. Zielgruppe sind alle Aktiven und Verantwortlichen der Prävention, insbesondere aus den Bereichen Kinder- und Jugendhilfe, Schule, Kirche, Vereine, Präventionsgremien, Städte und Gemeinden, Polizei, Politik, Medien, Wissenschaft, Gesundheitswese sowie Justiz. Der Deutsche Präventionstag findet seit 1995 jährlich statt.

 

 

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