10.05.2021
Heute beginnt der weltweit größte digitale Jahreskongress zur Gewalt- und Kriminalprävention

Der DPT stellt heute Kölner Erklärung vor

Köln, 10. Mai. Oberbürgermeisterin der Stadt Köln, Henriette Reker, und Kongressschirmherr Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, eröffnen heute den 26. Deutschen Präventionstag in Köln auf einer Bühne des Tanzbrunnens der Koelnmesse.
Passend zum Kongressbeginn gibt der Deutsche Präventionstag mit seinen ständigen Partnern DFK, ProPK und WEISSER RING die „Kölner Erklärung des 26. Deutschen Präventionstages“ heraus. In der Erklärung stellt der DPT mit seinen Partnern Forderungen an die Politik zum Schwerpunktthema „Prävention orientiert! … planen … schulen … austauschen …“. Die Erklärung basiert auf interdisziplinären Expertisen, die acht unabhängige Expertinnen und Experten im Vorfeld extra für den Deutschen Präventionstag verfasst bzw. aufgenommen haben. Die mehr als 1000 Teilnehmenden des Jahreskongresses tagen wie im letzten Jahr ausschließlich digital.

„Prävention orientiert, wirkt und rechnet sich! Das steht sicherlich außer Frage. Mit dem diesjährigen Schwerpunktthema möchten wir zu einer Debatte über die zentrale Rolle der Prävention in Krisenzeiten und über die Bedeutung von lebenslangem Lernen in diesem Prozess einladen“, sagt Erich Marks, Geschäftsführer des Deutschen Präventionstages. „Der Kongress möchte keine Echokammer oder Filterblase für die Präventionsszene werden. Vielmehr sehen wir uns als zentrale Vernetzungsplattform an, die natürlich Orientierung schaffen möchte. Mit unserer Kölner Erklärung wollen wir erreichen, dass präventives Handeln in den Lehrplan der Schulen und in die Programme der Kitas aufgenommen wird. Denn Kinder und Jugendliche sind überaus innovativ, lernfähig und sozial. Das sollte noch stärker auch in präventiver Hinsicht gefördert werden.“ Von der Politik fordert Marks insbesondere einen klaren Paradigmenwechsel hin zu einer gezielten Entwicklung u nd Förderung integrierter Präventionsstrategien.

Erich Marks führt wie in den letzten Jahren durch die Eröffnung und auch durch den Programmzug, der aus Köln übertragen wird. Neben den aus Köln produzierten Inhalten gibt es ein paralleles neunzügiges Kongressprogramm, das unter anderem 77 Vorträge von internationalen Expertinnen und Experten beinhaltet.

Kölner Erklärung

Prävention, verstanden als wissenschaftlich basiertes vorausschauendes Handeln, kann in Krisenzeiten richtungsweisender Ratgeber und Orientierungspunkt sein. Krisen beinhalten immer auch Chancen, nicht zuletzt, weil sie bereits bestehende Probleme, Defizite und Ungleichheiten wie unter einem Brennglas hervortreten lassen. In erster Linie ist dies die Chance, Bestehendes zu überdenken und gegebenenfalls neue Prioritäten zu setzen. Auf Prävention im schulischen Kontext sollte besonders fokussiert werden.

Für den 26. DPT haben sich acht Expertinnen und Experten im Voraus mit prägnanten Videostatements zu diesem Themenfeld geäußert. Ausführliche schriftliche Gutachten haben Prof. Dr. Gina Wollinger (Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen) und Prof. Dr. Haci-Halil Uslucan (Universität Duisburg-Essen) beigetragen. Die fundierten Expertisen sind Grundlage der diesjährigen „Kölner Erklärung“.

Prävention ist ein durch ein wissenschaftliches Grundverständnis geprägtes Handeln. Um der feststellbaren Wissenschaftsskepsis zu begegnen, ist es wichtig, wissenschaftliches Handeln, in Form von kritischem und analytischem Denken, aus dem rein akademischen Kontext zu entkoppeln. Für die Prävention notwendig ist die verstärkte Förderung von Ambiguitätstoleranz – dem Verständnis und der Akzeptanz, dass es keine klaren und eindeutigen Antworten, sondern immer auch Zwischen- und Graustufen gibt. Ambiguitätstoleranz kann insbesondere durch Bildung gefördert werden. Dies ist ein ebenso wichtiges Bildungsziel wie die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven zu erkennen und einzunehmen.

Emotionale Kompetenzen der Erwachsenen sollten als Schlüsselkompetenzen gestärkt und gefördert werden, da sie die Grundlage für die psychische Widerstandsfähigkeit oder Resilienz ihrer Kinder sind.

In der aktuellen Krisensituation müssen die Schulen digitales Lernen und Präsenzunterricht besser verzahnen. Dazu sollten zusätzliche und besser angepasste Lernprogramme entwickelt werden. Außerdem sollten individuelle Förderung und Beziehungsarbeit auch im Digitalen ermöglicht werden. 

Bildung erschöpft sich nicht in der Vermittlung von Wissen. Schon gar nicht geht es um das reine Faktenspeichern – als „Bulimie-Lernen“ kritisiert – sondern um den Erwerb grundlegender Handlungskompetenzen für die Lebensbewältigung. Als Schlüsselkompetenzen gelten Demokratiekompetenz und soziale Kompetenzen. Daher fordert der DPT mit seinen Partnern eine stärkere Kompetenzorientierung statt Lehrplanorientierung. Bildung sollte stärker als Selbstbildung, denn als Belehrung konzipiert werden. Aktivem Ausüben und Aneignen von Wissen durch freieres Lernen und aktuelle Projekte sollte mehr Stellenwert eingeräumt werden.

Bildung ist nicht gleichzusetzen mit Prävention, die eine spezielle Zielsetzung verfolgt. Schulische Bildung kann auch kein Ersatz für gute Sozialpolitik sein. Mit der aktuellen leistungsbezogenen Selektionsfunktion der Schule (re)produziert und legitimiert sie soziale Ungleichheiten, anstatt sie auszugleichen.

Bildung ist als Kernthema unserer Gesellschaft viel stärker zu gewichten und in den Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten zu nehmen. Es ist ein gemeinsamer Diskurs über die Wege, die Ausrichtung und die Ziele von Bildung zu führen, da die heranwachsende Generation die Gesellschaft in der Zukunft prägen wird.

In der aktuellen Pandemiesituation wurde und wird viel und kontrovers über die Schulen in Bezug auf Öffnungen oder Schließungen diskutiert. Das temporäre Wegbrechen der Institutionen, die Kinder und Jugendliche betreuen und ausbilden machte zweierlei überdeutlich: Diese Einrichtungen sind tragende Säulen für das Funktionieren der gesamten Gesellschaft. Und: Diese Einrichtungen sind für die vielfältigen ihnen zugeschriebenen Aufgaben absolut unzureichend gefördert und ausgestattet. Hier ist – auch aus präventiver Sicht – eine Umsteuerung der Gewichtungen dringend geboten.

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