Smart Prevention – Prävention in der digitalen Welt
28/29 September 2020
  • 1.137 Kongressteilnehmende davon 29 internationale Teilnehmende aus 14 Staaten
  • 280 Referierende
  • Paneldiskussion und SDG-Cube-Lounge
  • Präventionsrede 2020 „Schule im Aufbruch“ von Margret Rasfeld
  • 3. Prevention-Slam
  • 14 Prävinare (Online-Seminare)
  • 43 Beiträge im DPT-TV
  • 169 Ausstellungsbeiträge (Infostände, Infomobile, Sonderausstellungen, Poster)
  • 1.233 Medien im Infopool (Videos, PDFs, Links, Audiodateien, Fotos)
  • 1.617 GB Traffic auf der DPT-Webseite
  • DPT-Open-House als digitales Netzwerktreffen
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Der 25. „Jubiläumskongress“ fand am 28. & 29. September 2020 unter dem Schwerpunktthema „Prävention in der digitalen Welt – Smart Prevention“ statt. Schirmherr des 25. DPT war Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Bedingt duch die Corona-Pandemie wurde der ursprünglich für den 27. & 28. April 2020 im Kongress Palais Kassel geplante Kongress erstmals als reiner Online-Kongress digital ausgerichtet. Das Kongressgutachten erschien passend als interaktive Microsite, mit insgesamt 68 Videoclips von 17 Expertinnen und Experten.

25 Jahre Deutscher Präventionstag
Ein Beitrag von Prof. Dr. Helmut Fünfsinn

Generalstaatsanwalt a.D.; Vorsitzender des LPR Hessen; Beauftragter der Hessischen Landesregierung für Opfer von schweren Gewalttaten und Terroranschlägen

Vorbemerkung:
In Hessen haben die Überlegungen zu einer gesamtgesellschaftlichen Kriminalprävention in den Jahren ab 1980 begonnen. In einem kriminalpolitischen Bericht für den Hessischen Minister der Justiz wurde 1988 dargelegt, dass die Kriminalprävention erfolgreicher sein könnte, wenn sie den Käfig von „Innen- und Justizpolitik“ verließe. Die Umsetzung dieser Idee war nicht leicht. Hilfreich waren kommunale Präventionsaktivitäten, die auch heute noch die Hauptlast der Präventionsarbeit tragen.

Nachdem ich 1992 als nebenamtlicher Geschäftsführer die Sachverständigenkommission für Kriminalprävention der Hessischen Landesregierung (Landespräventionsrat) mit ins Leben rufen durfte, war ich sehr glücklich, dass 1995 der Deutsche Präventionstag gegründet wurde. Damit war es länderübergreifend erstmals möglich, gesamtgesellschaftliche Präventionsaktivitäten breit zu diskutieren und einer interessierten Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen. Seitdem steht ein stetig wachsendes Forum für die Praxis zur Verfügung, das einen breiten, inzwischen auch seit langem internationalen, Erfahrungsaustausch gewährleistet und die Möglichkeit gibt, Umsetzungsstrategien zu diskutieren und Empfehlungen an Praxis, Politik, Verwaltung und Wissenschaft zu erarbeiten und anzusprechen.

Wir blicken gemeinsam auf 25 Jahre Gewalt- und Kriminalprävention zurück. Wie hat sich dieses Fachgebiet in dieser Periode insgesamt verändert? Was wurde erreicht? Lassen sich rückblickend Konjunkturen bestimmter Debatten erkennen?

Die Wahrnehmung der gesamtgesellschaftlichen Gewalt- und Kriminalprävention hat sich deutlich geändert, sowohl als übergreifende Idee als auch in einzelnen Feldern. Während in den 1980er und 1990er Jahren Kriminalprävention nur vereinzelt wahrgenommen wurde, ist die Idee inzwischen auch in der Politik und nachfolgend in der Gesetzgebung angekommen. Der von der Bundesregierung eingesetzte Runde Tisch „Sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich“, das Programm „Demokratie leben“ und der Kabinettausschuss „Extremismus“ wäre auf Bundesebene in diesen Konstruktionen so nicht zustande gekommen. Fest verankert ist die gesamtgesellschaftliche Kriminalprävention in den Debatten zur häuslichen Gewalt, zur Sicherheit älterer Menschen, zur Sicherheit im öffentlichen Raum, zur Vernachlässigung von Kindern und Jugendlichen, zur Extremismusbekämpfung, zur Integration und zum Opferschutz. Diese Debatten sind beinahe konjunkturunabhängig. Einzelne Ereignisse, wie die militärischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan in den 1990er Jahren, die zu uns geflüchteten Menschen 2015 verstärkten dann die Wahrnehmung einzelner Debatten, hier also Integration und Extremismus.

Der 25. DPT hatte das Schwerpunktthema „Smart Prevention“. Was ist damals nach Ihrer Einschätzung der Anlass für diese Themensetzung gewesen? Worum drehte sich die Debatte im Wesentlichen?

Das Schwerpunktthema „Smart Prevention“, das handlungsleitend für den 25. DPT in Kassel und damit zugleich für den dritten Deutschen Präventionstag in Hessen sein sollte, wurde zu einem Zeitpunkt ausgewählt als an die Corona-Pandemie noch nicht zu denken war. Die Digitalisierung unseres Alltags stand im Mittelpunkt, weil das Zusammenleben der Menschen sich hierdurch an vielen Stellen grundlegend verändert und die Digitalisierung auch direkte Auswirkungen auf die gesamtgesellschaftliche Gewalt- und Kriminalprävention hat. Allein die Schlagworte „Cyber-Grooming“ und „Hate speech“ belegen dies eindrucksvoll. Wenn etwa allein in der Nacht des rechtsextremistischen Terroranschlags von Hanau über 50 Hassbotschaften im digitalen Netz landen, ist dies ungeheuerlich. Die Wichtigkeit des Themas hat sich dann unglücklicherweise durch den Ausbruch der Corona-Pandemie bestätigt. Die Durchführung des Kongresses konnte am 28. und 29. September 2020 als 25. DPT-Digital gelingen. An dieser Stelle hat sich dann in beeindruckender Weise auch die positive Seite der Digitalisierung für die Kriminalprävention gezeigt.

Ist dieses Thema auch heute noch aktuell? Findet sich ein roter Faden, der sich auch heute noch aufnehmen lässt?

Die Aktualität des Themas „Smart Prevention“ ist meines Erachtens unbestritten. Es wird auch eine tragende Rolle beim 26. DPT spielen, der ja als Hybridkongress geplant ist. Die bleibenden Themen zielen auf Konzepte für ein gewaltfreies, friedliches Zusammenleben, im Einzelnen: Verhinderung häuslicher Gewalt, Sicherheit für ältere Menschen, Schutz vor Vernachlässigung, insbesondere von Kindern und Jugendlichen. Sicherheit im öffentlichen Raum, kluge und effektive Extremismusbekämpfung, erfolgreiche Integrations- und Opferschutzkonzepte.

Im Jahr 2007 fand der 12. Deutsche Präventionstag in Wiesbaden statt. Sie haben damals als veranstaltendes Land teilgenommen. Wenn Sie an die Veranstaltung  zurückdenken, was ist Ihnen als besonders kennzeichnend nachhaltig in Erinnerung geblieben?

Insbesondere das Thema „Starke Jugend – Starke Zukunft“ als Motto des 12. Deutschen Präventionstags, dass wir nach kurzer Diskussionszeit gefunden haben, war für mich überzeugend. Bis zu diesem Zeitpunkt ging es doch vor allem um die Frage, wie Jugendkriminalität repressiv zu verhindern sei. Die Resilienzforschung war kaum bekannt und hier wurde erstmals den Stärken der Jugend breiter Raum eingeräumt.

Im Übrigen ist hier anzumerken, dass wir den Ansatz der Stärken einzelner Gruppen vermehrt in den Blick nehmen sollten. Dies gilt insbesondere auch bei den Überlegungen zu Fragen der Sicherheit für ältere Menschen. Hier gilt es, das riesige Potential dieser Personengruppe nicht aus dem Auge zu verlieren.

Was sind aus Ihrer Sicht die aktuell wichtigen Themen und Herausforderungen für die Prävention?

Die Digitalisierung des Lebens, beschleunigt durch die Corona-Pandemie. Das auch dadurch bedingte Alleingelassenwerden, insbesondere der besonders vulnerablen Personengruppen, wie Kinder und ältere Menschen, aber auch das schwierigere Wahrnehmen von häuslicher Gewalt und die Beschränkungen der Aktivitäten Jugendlicher. Auf diese Herausforderungen sollte auch die gesamtgesellschaftliche Kriminalprävention Antworten finden.

Welche strategische Ausrichtung würden Sie abschließend für die nächsten 25 Jahre Präventionsarbeit in Deutschland und Europa empfehlen?

Ein weiterer Ausbau gesamtgesellschaftlicher gewalt- und kriminalpräventiver Strategien ist zwingend. Wenn in Hessen ein Asylkonvent eingerichtet worden ist, wo ressortübergreifend – unter Führung des Ministerpräsidenten – und unter Beteiligung aller gesellschaftlich maßgeblicher Kräfte Integrationskonzepte für geflüchtete Menschen erarbeitet werden, dann zeigt dies, dass die Politik das Instrument kennt. Es sollte nur häufiger bei gesamtgesellschaftlichen Problemen Anwendung finden und die Präventionsakteure mehr Anerkennung erlangen.