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Covid-19: Paradoxe Erwartungen an die Risikokommunikation

André Biermann
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

Abstract:
In der Covid-19-Pandemie nimmt Risikokommunikation einen zentralen Stellenwert auch in den akuten Krisenphasen ein. Dies darf verwundern, da handlungsleitende Krisenkonzepte - etwa der Krisenmanagementzyklus - Risikokommunikation zeitlich anders verorten, nämlich in die Phase der Krisenvorsorge. So dient Risikokommunikation etwa laut dem BBK der Herstellung eines „Vertrauensverhältnisses zwischen staatlichen Stellen und deren Repräsentanten und dem Bürger". Vertrauensbildung allerdings scheint mit dem grundlegenden Ziel zu konfligieren, Maßnahmen der Pandemiebekämpfung auch bei Dissens durchzusetzen. Diese Herausforderung wird im Vortrag anhand von paradoxen Erwartungen an die Risikokommunikation durchgespielt: Einerseits sollen behördliche Erklärungen von Maßnahmen der Pandemiebewältigung etwa auf Eindeutigkeit abstellen mit dem vorab festgelegten Ziel einer Verhaltensänderung in der Bevölkerung. Andererseits soll Risikokommunikation ergebnisoffen auf „Augenhöhe“ stattfinden und auch Unsicherheiten transparent machen. Diese gegenläufigen Erwartungen werden anhand von Expertenempfehlungen und anderen Beispielen aus der Praxis (etwa aus Impfkampagnen) veranschaulicht. Dabei erfolgt eine soziologische Einordnung, indem die betrachteten Gegenläufigkeiten unter anderem auf die Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Risikotypen als ein Merkmal der Covid-19-Krise zurückgeführt werden.
André Biermann

André Biermann (Dipl.-Soz.) ist seit Ende 2014 bei Prof. Dr. Stefan Kaufmann (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg/Institut für Soziologie) als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig (mit Unterbrechung). Seit März 2022 ist er Teil des Forschungsteams am Centre for Security and Society im Rahmen des BMBF-Projektes LegiNot. Dort untersucht er Covid-19 als Diskursfeld, das er mit der wissenssoziologischen Diskursanalyse operationalisiert. Dazu rekonstruiert er Praktiken und Muster sowohl der öffentlichen Legitimation als auch der Kritik einschlägiger Maßnahmen (z.B. Maskenpflicht) zur Eindämmung von Covid-19 auf unterschiedlichen Ebenen des Katastrophenschutzes. Auf theoretischer Ebene verfolgt das Projekt eine Rückbindung der Diskursanalyse an die empirische Legitimitätsforschung, die Soziologie der Rechtfertigung und die Theorie reflexiver Modernisierung.

13. Juni 2023
12:00 - 12:45 Uhr
Vortrag